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2. Schweizer Lymphsymposium

„Das Krankheitsbild Lipödem – Primäre Lymphödeme und lymphatische Fehlbildungen bei Kindern und Jugendlichen“

Am 19. September fand in Zürich das 2. Schweizer Lymphsymposium unter der wissenschaftlichen Leitung und veranstaltet von Herrn Dr. med. Stephan Wagner, Leitender Arzt der RehaClinic Bad Zurzach, mit Unterstützung der Berro AG und der Juzo Akademie der Julius Zorn GmbH, statt, das wieder ein voller Erfolg war. Dr. med. Stephan Wagner und Dr. med. Meinolf Dorka, Uster, begrüßten zu der hybriden Veranstaltung sowohl das Publikum im Saal, als auch viele Online-Teilnehmer. Durch das neue hybride Format der Veranstaltung war ein internationaler Rahmen mit mehr als 200 Teilnehmern aus 13 verschiedenen Nationen gegeben. 

Internationales Netzwerk bietet Raum zum Austausch 
Schwerpunktthema der Veranstaltung war das Krankheitsbild Lipödem, das mit all seinen Facetten beleuchtet wurde – aus Sicht der Patienten, der konservativen Therapien und der chirurgischen Therapieoptionen.  
Diskutiert wurde sowohl zum Lipödem, als auch zum Lymphödem, zu klinischen, konservativen und chirurgischen Therapieoptionen wie Lymphovenöse Anastomosen (LVA) etc., sowie über die Folgen von Adipositas in unserer Gesellschaft. Auch die Besucher, die dem Symposium online beiwohnten, konnten über den Chat live an der Diskussion teilnehmen. So war Raum für eine internationale, interprofessionelle und interdisziplinäre Diskussion geboten.   

Das Lymphödem 
Dr. med. Stephan Wagner, Bad Zurzach, fasst in seinem Vortrag“ Klinik und konservative Therapieoptionen“ das Lymphödem in all seinen Facetten zusammen und ging im Detail auf die konservative Therapie in der Klinik ein. Neben der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE) seien in der Erhaltungsphase insbesondere die richtige Kompressionsversorgung, Bewegung, sanfte Massage des Gewebes, die richtige Ernährung und die Kontrolle des Körpergewichts sowie die adäquate Hautpflege notwendig. Ein weiterer, sehr wichtiger Teil, sei die Schulung der Patienten und die Eigenverantwortung dieser, die durch die behandelnden Personen gefördert  werden müsse. Das Ziel eines möglichst langanhaltenden, positiven Behandlungsergebnisses sei nur durch ein multimodales Programm erreichbar. Er betonte, dass die Therapie keine kurative Wirkung habe, sondern die Symptome wie Schmerzen und Ödeme unter Kontrolle gehalten und Komplikationen verhindert werden müssen. Jede Therapie benötige, um wirksam sein zu können, ein interdisziplinäres Netzwerk. 
PD Dr. med. Mario Scaglioni, Luzern, ergänzte den vorausgegangenen Vortrag mit der Vorstellung der „chirurgischen Therapieoptionen“ als Behandlungsmöglichkeit beim Lymphödem. Indikationen für die Lymphödemchirurgie seien unter anderem Invalidität oder rezidivierende Infektionen. Dr. med. Scaglioni erläuterte resezierende Verfahren wie die Liposuktion und rekonstruktive wie beispielsweise lymphovenöse Anastomosen (LVA) oder ein vaskularisierter Lymphknotentransfer (VLNT). Gerade an solchen Techniken der Lymphchirurgie sei die enge Verbundenheit mit Innovationen deutlich erkennbar. Die Chirurgie könne aber nicht alleine stehen, sondern müsse immer Hand in Hand gehen mit der konservativen Therapie.  

Primäre Lymphödeme und lymphatische Fehlbildungen bei Kindern und Jugendlichen 
Mit seinem Vortrag „Klassifikation von primären Lymphödemen und lymphatischen Fehlbildungen“ eröffnete Prof. Dr. med. Jochen Rössler, Bern, den zweiten Block der Veranstaltung. Man müsse unterscheiden zwischen vaskulären Tumoren (Gefäßtumore) und vaskulären Malformationen (Gefäßfehlbildungen). Vaskuläre Malformationen lassen sich weiter aufteilen in langsam fließende (slow-flow), schnell fließende (fast-flow) und komplex kombinierte (complex-combined). Primäre Lymphödeme und lymphatische Fehlbildungen gehören laut ISSVA-Klassifikation (International Society for the Study of Vascular Anomalies) zu den slow-flow Malformationen. Bekannte Standardtherapien wie Sklerosierung, Operation, Kompression und Drainage werden durch medikamentöse Therapien (z.B. Sirolimus) ergänzt, die sich aus Erkenntnissen der Genetik ergeben. Um wissenschaftliche Aussagen treffen zu können, müssten neue medikamentöse Therapien in klinischen Studien überprüft werden. 

Thiha Aung, Regensburg, legte den Fokus auf „Congenitale Lymphödeme und deren Therapiemöglichkeiten“. Er zeigte anhand einiger Patientenfälle das hohe Infektionsrisiko bei lymphatischen Malformationen, da die oberflächigen Gefäße teils nach außen aufplatzen würden. Die Therapiemöglichkeiten seien hier sehr vielfältig. Es müsse aber immer bedacht werden, dass zwar eine kurative Verbesserung, nicht aber eine Heilung bewirkt werden könne. Neben medikamentöser und konservativer Behandlung mit Manueller Lymphdrainage (MLD) und Kompression sei es je nach Patient nötig, chirurgisch zu therapieren, beispielsweise mit einer LVA. Aber auch dann sei eine postoperative Versorgung mit Kompressionsversorgung unbedingt erforderlich. 

Prof. Dr. Michio Ozeki, Gifu, Japan, gab mit seinem Vortrag „ Diagnosis and therapy of rare lymphatic malformations“ einen Überblick  über die Diagnose und Therapie von seltenen lymphatischen Malformationen (LM). Lymphatische Fehlbildungen als Komplexe Lymphatische Anomalien (CLA) können unter anderem Generalisierte Lymphatische Anomalien (GLA), Kaposiforme Lymphangiomatose (KLA) oder Gorham-Stout-Desease (GSD) umfassen. Prof. Ozeki arbeitete anhand zweier Forschungsfragen den Unterschied zwischen GLA und GSD sowie zwischen GLA und KLA heraus. Auch die Strategie und Diagnose für die Behandlung der Krankheiten war Teil des Vortrages. 2018 wurde die somatische NRA S-Mutation (NRAS= Neuroblastoma RAS; RAS = membranassoziiertes G-Protein) in einer Gewebeprobe von Patienten mit GLA und KLA nachgewiesen. Dies bereite den Boden für die Pathophysiologie und zur Entwicklung neuer Therapien für diese seltenen Erkrankungen. Sirolimus sei auch hier eine wichtige Therapie, weil es eine antiangiogenetische Wirkung habe und Patienten sehr gut auf das Medikament ansprechen würden.  

Die Grundlagen des Lipödems 
„Das Lipödem aus Sicht einer Patientin“ – Marlene Klima, selbst Betroffene und Botschafterin der Initiative FRAUENSACHE, berichtete aus Patientensicht über das Lipödem. Seit ihrer Diagnose 2011 habe sich ihr Alltag erheblich verändert. Um Linderung für die schmerzenden und geschwollenen Beine zu bekommen habe sie vieles ausprobiert. Am besten helfe ihr die richtige Flachstrickversorgung. Aber auch Sport und eine Ernährungsumstellung – aktuell teste sie eine basische Ernährung – spielen in dem Therapiekomplex eine große Rolle.  Sie schilderte, wie wichtig für Patientinnen das richtige Selbstmanagement sei. Dies vernehme sie vor allem auch aus der Community von Betroffenen Frauen, wo Ernährung, konservative Therapie und Sport, wie z.B. auf dem Trampolin, einen sehr hohen Stellenwert haben. Das alles seien essentielle Aspekte der Therapie des Lipödems, welche die Patientinnen zum Großteil selbst in der Hand hätten. 

Der Beitrag von Dr. med. Denise Luchsinger, Baden, befasste sich mit dem Thema „Von der Lipohypertrophie zum Lipödem – Klinik und Diagnostik aus medizinischer Sicht“. Gestützt auf die aktuelle AWMF S1 Leitlinie von 2015 fasste sie das Krankheitsbild Lipödem nochmal zusammen. Da es keine apparativen oder laborchemischen Methoden zur Diagnosestellung gäbe, seien die diagnostischen Kriterien, wie z.B. eine dysproportionale Fettgewebeverteilung oder spontane Schmerzen äußerst wichtig. Nicht jede Lipohypertrophie sei ein Lipödem, obwohl in beiden Fällen eine symmetrische Vermehrung von subkutanem Fettgewebe stattfinden würde. Bei der Lipohypertrophie bestehen, bei vergleichbarer Fettgewebsverteilung, keine regelmäßigen Beschwerden, so Dr. med. Luchsinger. Es sei immer eine exakte und genaue Anamnese erforderlich, um die beiden Krankheitsbilder voneinander abzugrenzen.  

Christina Casanova, lic. phil., Chur, betrachtete das Lipödem aus der psychologischen Perspektive. In ihrem Beitrag „Leiden Lipödem aus psychologischer Sicht: Gesellschaftsdruck und Schmerz“ beleuchtete sie im theoretischen Teil die Begrifflichkeiten Leib und Körper. Sie ging darauf ein, dass man das „Sein“ in seinem „Haben“ finden würde – das heutige Selbstbild beziehe sich immer auf den Marktwert, auf das Körperbild. Deshalb würden Frauen, die ein Lipödem haben, oftmals auch unter einem Trauma leiden und Angst haben. Als praktischen Teil stellte sie eine Methode vor, wie sie den Blick der Frauen wieder auf positive Erfahrungen und ein positives Selbstgefühl lenke. Mit einem „ICH-Büchlein“ solle man sich jeden Tag die Frage stellen, was einem Freude bereitet habe und die Antwort darin notieren. Ziel einer Therapie soll immer die psychosoziale Stabilisierung der Patientinnen auf dem Hintergrund eines ressourcenorientierten Vorgehens sein. Betroffene werden die psychischen Narben nicht verlieren, aber könnten lernen, mit dem Schmerz umzugehen, so Christina Casanova. 

Dr. med Felix Angst, Bad Zurzach, stellte in seinem Beitrag „Wenn Weichteil weh tut – Lipödem und Fibromyalgie als chronische Schmerzkrankheit“ ein klinisches Schmerzprogramm vor. Der Schmerz werde mit SF-36 (Short Form Health 36) gemessen und auch die Folgen des Schmerzes und das psychische Wohlbefinden würden in die Auswertung miteinfließen.  In einer Studie mit 115 Lipödempatientinnen und 82 Patientinnen mit Fibromyalgie, die in Vergleich gesetzt wurde zur „Normgesundheit“,  konnte festgestellt werden, dass zwischen den beiden Krankheitsbildern zwar Parallelen existieren würden, aber Lipödembetroffene weniger symptomatisch, komorbid und sozial dysfunktionell seien als Betroffene von Fibromyalgie. Das interessante an diesem Modell sei die Herangehensweise an die Krankheit: das Lipödem werde nämlich vom tatsächlichen Schmerz aus betrachtet und nicht nach Einteilung in Stadien.  

Die Therapie des Lipödems 
Dr. med. Stephan Wagner, Bad Zurzach, nahm die Teilnehmer in seinem Beitrag „Lipödem konservative Therapie … und in Zukunft? “ mit auf eine Reise in die Zukunft. Die symptomatische KPE Therapie bei Lipödem beinhalte neben der Versorgung mit Flachstrickkompression und MLD auch Bewegung, Hautpflege und die Schulung und Eigenverantwortung der Patientinnen. Zusätzlich eingesetzt werden könne eine intermittierende pneumatische Kompression (IPK), die viele Patienten unterstützend zu Hause verwenden würden. Diese sei eine gute Ergänzung zur MLD. Ebenso sei die Wassertherapie nebst positivem Effekt auf das Gewebe eine sehr gute Möglichkeit zur Bewegung und könne zudem zur Akzeptanz des eigenen Körpers der Patienten beitragen. MLD spiele bei Lipödem jedoch eine eher untergeordnete Rolle, so Dr med. Wagner. Sie könne aber als additive Maßnahme zur Schmerzlinderung beitragen. In Zukunft müsse die Eigenverantwortung der Patienten mehr gefördert werden.  Auch sollte, sofern eine Adipositas vorliege, diese unbedingt angesprochen und therapiert werden. Seine Empfehlung sei es, mit der MLD in der Erhaltungsphase etwas ressourcenschonender umzugehen, da das zentrale Element der Therapie die konsequente Kompression und Eigenverantwortung sei. Eine chirurgische Therapie wie die Liposuktion könne helfen, diese Therapiemöglichkeit müsse aber individuell bei jedem Patienten betrachtet werden. Fakt sei, dass für alle Therapien die Studien fehlten und vieles evidenzbasiert verordnet werde.  

„Lipödem und Ernährung“ war das Thema bei Dr. med. Susanne Maurer, Winterthur. Sie ging der Frage nach, was mit Gewichtsabnahme erreichbar sei. Pathologisch sei ein hohes Gewicht per se nicht gefährlich, solange keine Komorbiditäten (z.B. Diabetes, Lipödem, etc.) vorliegen würden. Bei einer Gewichtsreduktionstherapie sollen abdominelle Fettverteilungsmuster reduziert werden. Hier reiche es bei 80% der Patienten mit metabolischen Störungen meist aus, 10% des Körpergewichts abzunehmen – nicht immer aber bei  Patienten mit mechanischen oder psychischen Problemen. Lipödempatienten würden die gleiche Gewichtsabnahme erreichen wie andere Patienten, aber nicht an den betroffenen Stellen. Als eine sehr gute Möglichkeit, Gewicht zu reduzieren, ging sie genauer auf Bewegung im Wasser ein, wodurch eine Lipolyse stattfinden würde. Hier funktioniere die Gewichtsabnahme durch den venösen Rückfluss signifikant besser. Ein operativer Eingriff sei auch nicht bei allen Patienten mit einem BMI > 40 nötig. Hier müsse immer individuell geprüft werden, so Dr. med. Maurer. 

Welchen Stellenwert die operative Behandlung beim Lipödem habe, stellte Dr. med. Daniel Münch, Wiedlisbach, in seinem Vortrag „Liposuction: Alternative oder Ergänzung zur konservativen Therapie?“ zur Diskussion. Neben Ernährung, Bewegung, Kompression, Lymphdrainage und psychologischer Unterstützung könne die Liposuktion als operative Maßnahme nach den konservativen Therapien folgen, durch die das pathologisch vermehrte Fettgewebe nicht dauerhaft entfernt werden konnte. Dies würde durch die Liposuktion zwar entfernt werden, jedoch könne kein Einfluss auf die Kapillardurchlässigkeit genommen werden, weshalb Rezidiveingriffe nicht ausgeschlossen werden könnten. Dr. med. Münch stellte die Wasserstrahl-Methode (WAL) als Wet-Technique genauer vor, wobei die Adipozyten sanft und unter Schonung der Lymphbahnen herausgespült würden. Die Belastung des Körpers durch Medikamente und Volumen sei hier deutlich reduzierter als bei der „vollen Tumeszenz“, wo das Gewebe mit einer Anästhesie-Lösung prall aufgefüllt werden müsse. Die Liposuktion, sofern die Methode auf Schonung der Lymphbahnen fokussiert sei, könne sowohl als Ergänzung als auch als Alternative zur konservativen Therapie gesehen werde.  

Dr. med. Jörg Eimers, Gisikon, bildete mit seinem Beitrag „ Kostengutsprache zur Liposuktion aus vertrauensärztlicher Sicht“ den Abschluss der Veranstaltung. Er stellte dar, dass es keine gesetzliche Grundlage zur Liposuktion gäbe. Für eine Kostenübernahme, die durchaus stattfinden könne, müssten zwei Merkmale erfüllt sein: die WKZ-Kriterien nach Art. 32 KVG und dass die Methode der Behandlung eines krankheitswertigen Befundes diene. Der Krankheitswert sei in Art. 25 KVG definiert und würde den wissenschaftlichen Nachweis anhand von Studien verlangen. Laut Dr. med. Eimers benötige es eine vernünftige und nachvollziehbare leistungspflichtige Situation, verbindliche Diagnosekriterien für alle Stadien, verbindliche Behandlungspfade und OP-Standards sowie ein Register, um den Langzeiteffekt belegen und das Argument der Wirtschaftlichkeit stützen zu können.  

Aller guten Dinge sind 3 
In der Hoffnung, dass sich die Pandemie-Situation Ende nächsten Jahres entspannt haben werde, wies Dr. Wagner alle Teilnehmer auf das am 04. September 2021 stattfindende 3. Schweizer Lymphsymposium hin, dessen Planung schon in vollem Gange ist. 
 

Bilder: Juzo 
Fotograf: Markus Bachmann

Julius Zorn GmbH

Juzo mit Hauptsitz im bayerischen Aichach wurde 1912 in Zeulenroda (Thüringen) gegründet und beschäftigt weltweit über 1.100 Mitarbeitenden. Mit der Schwesterfirma in den USA und den verschiedenen Tochterfirmen und Vertriebsorganisationen in Europa und Kanada bedient der Hersteller medizinischer Hilfsmittel einen internationalen Markt. Als Spezialist mit über 100 Jahren Erfahrung in der Kompressionstherapie hat Juzo es sich zur Aufgabe gemacht die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und Beschwerden nachhaltig zu lindern. Dafür produziert das Unternehmen innovative Produkte – größtenteils „Made in Germany“ – aus den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Narbenmanagement und Orthopädie wie Kompressionsversorgungen in Rund- und Flachstrick sowie Bandagen und Orthesen. Neben den Produkten der Fachhandels-Marke Juzo gibt es die Juzo Akademie mit Fortbildungen für den medizinischen Fachhandel, die Marke sportomedix mit hochfunktionellen Produkten für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler und die Marke EquiCrown mit medizinischen Kompressionsbandagen für Pferde. Mit Hightech, Handarbeit und Herzblut arbeiten die Mitarbeitenden bei Juzo an innovativen und individuellen Lösungen für mehr Lebensfreude in Bewegung. Weitere Infos unter juzo.de

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